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Freitag, 20. April 2012

Europafeinde oder wahlkampfbedingter Populismus?

Wenn man hier in Frankreich den Wahlkampf verfolgt, dann sieht man im Fernsehen sehr viele Veranstaltungen mit fahnenschwenkenden euphorischen Menschen. Die Tricolore ist allgegenwärtig. Auf Wahlplakaten wirbt etwa Präsident Sarkozy für ein "starkes Frankreich", während über dem Porträt von Marine le Pen (Front National) ein: "QUI! La France" zu lesen ist. Angesichts der krisenhaften Zeiten spielen viele französische Parteien -  egal welcher Couleur -  die nationalistische Karte. Gerne wird  die "Diktatur aus Brüssel" angeprangert. Oder eine Reduzierung des "Immigrantenstroms" nach Frankreich gefordert.

In dieser Situation fordert Sarkozy nun eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen in EU-Ländern und bekommt dabei überraschenderweise Rückendeckung aus Deutschland. Von jener Bundesregierung, die Dänemarks Grenzkontrollen im Sommer 2011 noch kritisiert hatte. Aus Berlin heißt es dazu, man wolle den nationalen Regierungen und nicht Brüssel die Entscheidung bezüglich möglicher Grenzkontrollen überlassen.

Nachdem der Euro bereits einige Kratzer abbekommen hat, wäre eine Einschränkung der Freizügigkeit ein weiterer Rückschlag für Europa. Das Schengener Abkommen stellt eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union dar und steht wie kaum etwas anderes für die europäische Einheit. Für Bürger der EU ist ganz Europa Inland. Wenn ich über den Rhein nach Deutschland fahre, merke ich nur an den Verkehrsschildern, dass ich mich nun in einem anderen Mitgliedsstaat befinde. Die Gebäude des hiesigen Grenzübergangs sind fast alle abgerissen worden. Wo man früher mit Tempo 30 an einem Grenzhäuschen vorbeituckerte, düst man heute auf einem gut ausgebauten Autobahnabschnitt mit Tempo 110 km/h entlang. Das ist nicht nur praktisch. Wenn jede Woche Tausende Franzosen und Deutsche im Nachbarland zum Einkauf oder zur Arbeit fahren, überqueren sie keine Grenze. Es gibt keine Grenzen zwischen den Ländern und keine Grenze im Kopf. Wenn sie dann noch mit der eigenen Währung, sprich dem Euro, auch im Nachbarland einkaufen können, ist die psychologische Wirkung nicht zu unterschätzen.

Ja, Europa ist Binnenland. Aber einige Politiker scheinen keine "Europäer" zu sein. Vielleicht wird momentan aber angesichts des französischen Wahlkampfs auch nur die populistische Schiene gefahren und der deutsche Beitrag ist in diesem Zusammenhang lediglich als Wahlkampfhilfe zu verstehen.

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