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Donnerstag, 26. Januar 2012

Wir reden auch Elsässisch

Im Elsass trifft man an Ortseingängen des Öfteren auf Schilder mit der Aufschrift "Mir rede au Elsassisch". Mit diesem einen Satz wird die Situation der Regionalsprache sehr gut beschrieben: Im Elsass reden die Einwohner AUCH Elsässisch. Französisch ist indes die dominierende Sprache.

Eine Zweisprachigkeit, wie sie nach außen hin - vor allem, um den hiesigen Wirtschaftsstandort attraktiv zu machen - suggeriert wird, existiert nur bedingt. Das Elsässisch ist eine Sprache, die im Verborgenen, im Familienkreis, mit guten Bekannten und Freunden gesprochen wird. Im öffentlichen Erscheinungsbild und im Alltag taucht sie jedoch nur selten auf. Selbst Schilder und Wegweiser geben ihr Wissen komplett auf Französisch preis. Sicher, es gibt Ausnahmen. So trifft man in Ortskernen auf einige Schilder mit bilingualen Straßennamen. Verhältnisse wie etwa in der Bretagne existieren aber nicht. Das mag auf den ersten Blick verwundern, da das Elsässisch offiziell die am meisten gesprochene Regionalsprache in Frankreich ist.

Im Zuge der Französischen Revolution und des aufkeimenden Nationalismus setzte in Frankreich eine rigide Sprachpolitik ein. In der Folgezeit wechselte die Kontrolle über das Elsass zwar mehrmals zwischen Paris und Berlin. Beiden Herrschern waren jedoch gemeinsam, dass sie mit harter Hand regierten und eine strenge Kulturpolitik vollzogen. Ein ganz neues Niveau erreichten diese Repressalien nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und des Sieges über Nazi-Deutschland. Deutsch und somit auch seine Dialekte waren nun die Sprache des Feindes. Um ein "gueti Franzose" zu sein und sich endgültig vom Vorwurf des Separatismus zu befreien, gaben viele Elsässer ihre Identität und Kultur auf. Die französische Sprachpolitik erreichte neue Dimensionen. Deutsch und Elsässisch wurden aus dem öffentlichen Leben und dem Schulunterricht verbannt. So mancher Schüler handelte sich eine Tracht Prügel ein, wenn er dennoch in seinem Dialekt sprach.

Daraufhin erlebte das Elsässisch einen stetigen Rückgang. Eltern sprachen untereinander zwar noch ihre Mundart, für die Kinder wurde Französisch jedoch zur ersten Sprache. So hört man heute überwiegend ältere Leute Elsässisch miteinander reden. Fast alle Jüngeren unterhalten sich auf Französisch. Man wird kaum Personen unter 40 Jahren treffen, die sich im Dialekt unterhalten. Fragt man jemanden, ob er auch Elsässisch spreche, kommt oft die Antwort, dass sich die Kenntnisse auf ein paar Brocken beschränken und lediglich die Eltern oder Großeltern in der Mundart miteinander reden.

Immerhin gibt es seit mehreren Jahren kulturelle Initiativen, die den Erhalt des Elsässischen fördern. Im Fernsehen laufen einige Programme im lokalen Dialekt. Zudem erfreut sich der bilinguale Unterricht (Französisch-Deutsch) an Schulen zunehmender Beliebtheit.
Im Alltag unterhalte ich mich des Öfteren auf Deutsch. Sei es nun mit dem Heizungsmonteur, dem Metzger oder Freunden und Bekannten aus dem Ort. In jedem Fall sind das immer Personen, die ich gut kenne oder die selbst die Initiative ergreifen. Wenngleich es hier in der Region sehr viele Menschen gibt, die Elsässisch und/oder Deutsch sprechen, lässt sich ihre Anzahl kaum abschätzen. Das Elsässisch ist eben eine Sprache im Verborgenen. 

6 Kommentare:

  1. Hallo Flensburger, ich bin es wieder. Ein ganz ganz toller Beitrag von Dir. Ich finde deine Schreibweise toll. Auch die Informationen die Du miteinbringst sind flott.

    Ich mag die Region sehr, dein Beitrag verkörpert wieder einer der Punkte die mich ein wenig treffen. Ich finde das so schade! Gerade der sprachliche Aspekt ist wohl einmalig. Wir verlieren hier nicht nur die Zweisprachigkeit sondern auch einen deutschen Dialekt (die verschwinden ja sowieso).

    Woher hast du die Info das man auf die Finger gekriegt hat wenn man in der Schule deutsch geredet hat? Kommst du öfter mit Einheimischen ins Gespräch?

    Dank dem allgemeinen Misstrauen (das in Frankreich leider um einiges mehr ausgeprägt ist als in Deutschland oder der Schweiz) komme ich seltener in Kontakt mit älteren Personen.

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    1. Sorry für die späte Antwort. Genaue Quellen kann ich nicht nennen. Ich habe es lediglich mal hier und da gelesen bzw. gehört. Wie die Bestrafung im Einzelfall ausgefallen ist, mag auch vom Lehrer bzw. der Schule abhängig gewesen sein.

      Ein kleines Beispiel: Kürzlich kam ich mit einem Großvater ins Gespräch, dessen Enkel mit meinem Sohn in eine Klasse geht. Er erzählte mir, dass er und seine Mitschüler damals (fünfziger/sechziger Jahre) bestraft wurden, wenn sie im Unterricht oder auf dem Pausenhof Elsässisch gesprochen haben.

      Ein anderes Beispiel: Kürzlich habe ich eine offizielle Bekanntmachung aus den fünfzigen Jahren gelesen. Darin hieß es, dass Kunden auf dem Postamt den Postbeamten am Schalter nicht auf Elsässisch ansprechen dürften. Nur Französisch sei zulässig. Wenn die entsprechenden Personen allerdings nicht zivilisiert(!) genug seien, könnten die Postbeamten aus reiner Gefälligkeit auch auf Elsässisch mit den Kunden sprechen. Die Initiative müsste aber in jedem Fall vom Postbeamten ausgehen.

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  2. Schöner Artikel über die Sprache im Elsass. Hat mich auch schon des öfteren beschäftigt :-)

    Herzliche Grüße

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  3. Jo awer es isch ze spät! De fransäische Regierung hat unseri scheni Sproche zerstört un bald werr es unner junge lit gonz verschwunne sin.
    Von daher hon ich Blogposts uf Dialekt geschriewe
    Awer es geht um Philosophie un Theologie. Ich huffe echt, dass es fir dich nit ze longwillig isch. Liewe Grüsse us Englond; wu ich grade schaffe
    http://lotharlorraine.wordpress.com/category/lorraine-franconian/

    Flensburg isch awer gonz wit von Elsass un Lothringen.

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    1. Das denke ich auch. Es gibt zwar immer mehr Kinder, die hier in der Region an der Schule zweisprachigen Unterricht haben - allerdings "nur" auf Hochdeutsch. Zudem bleibt für die meisten Kinder Deutsch die Zweit- beziehungsweise Fremdsprache.

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  4. Ich mues als Badener au mol ebbis dozue sage. War vorgeschtern mit mine Chinder grad wieder driebe im Elsiss un ha des Grab vun minem Onkel ufm Soldatefriedhof bsuecht. Wämmer bedänkt, dass die eifache Lütt uf beide Sitte vum Rhii ganz guet mitnander üschu sinn un es trotzdäm zu solche Kriege chu isch, werd i grad sprachlos. Was het de Politik nit scho alles für Unfug agrichtet. Ich bin froh, dass mir hit zu Dag de Möglichkeit hän, iber die ehemalieg Grenze hinwäg, uns übers Blog zùnterhalte. So ne Erinnerig an unsere Gschichte chan ich jedem wieder Mol empfehle. Do chunsch wieder zum nochdänke.

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